„Sei gefaßt, was ich dir mitteile ist die
nackte Wahrheit. Etwa eine Woche nach Anitas Beerdigung ging ich zur Bank um
meine Angelegenheiten zu regeln. Ich gab wenig aus von dem was du für mich
erworben hattest durch den Verkauf meiner Besitztümer. Es war eine
beträchtliche Summe wie du dich sicherlich erinnerst.“ „Ein Teil davon verzehrte gewiß der Kauf
des erwähnten Grundstücks,“ gab Ebert zu bedenken. „Lediglich auf dem Papier, da wir nur eine
Anzahlung von zehn Prozent machten und
uns verpflichteten das Übrige später zu bezahlen.“ „Wir?“ „Ja. Ich meine Anita und mich, wir waren
damals verlobt.“ „Das überrascht mich angesichts deiner
Abneigung Zinsen zu zahlen.“ „Schon, aber Anita bestand darauf.“ Bestrebt seinen rügenden Blick zu
verhehlen, lenkte Ebert ab: „Wie ging es bei der Bank?“ „Überhaupt nicht gut. Kurzum, dort war
nichts zu erledigen.“ „Nichts zu erledigen?“ wiederholte Ebert
verduzt. „Es mußte doch ein beträchtliches Vermögen vorhanden sein, in
Bargeld und Wertpapieren.“ „Sollte, Franz, sollte, jedoch alles war
verschwunden.“ Ebert sprang auf. „Das überschreitet die Grenzen meines
Verstandes,“ rief er verblüfft. „Meine auch. Ich wiederhole: Das Konto
war ausgeraubt, unsere Tresorfächer enthielten nichts als Luft.“ „Aber – aber, warst du nicht der einzige
Bevollmächtigte im Besitz von Schlüsseln sowie des Losungwortes, welches die
Sicherheit erfordert?” “Eigentlich nicht, Anita war
Mitunterzeichnerin sowie im Besitz von Schlüsseln, ferner war ihr das
Kennwort bekannt. Überdies pflegte sie einen regen Umgang mit den
Angestellten der Banken.” „Du sprichst in der Mehrzahl.” „Ja. Unser Geld, die Wertpapiere wie auch
Wertsachen, verwahrten wir in drei bedeutenden Banken.” Da er Eberts nächste Frage voraus ahnte,
erklärte Baldwin: „Dasselbe geschah bei den anderen Banken.” Während Ebert heimlich den Kopf darüber
schüttelte wie man seine ganze Habe der Willkür anderer anheim stellen
konnte, sei es die Ehefrau oder sonstwer, fiel ihm plötzlich ein warum ihm
die Frau in den Bildern bekannt vorkam. Er war sicher, ihr, oder einer ihrer
Blutsverwandten, schon mal begegnet zu sein. Seine Gedanken wurden
unterbrochen von Baldwins erschütternder Verkündung: „Franz, jemand hat
mich ausgeraubt.” Mit erhobenen Händen wies er die
erwarteten Einwände des Freundes zurück. „Eh du Schlüsse ziehst möchte ich dich darauf
aufmerksam machen, daß diese Abhebungen vier Tage nach Anitas Beerdigung
geschahen, worüber ich mir im klaren bin. Das Ganze kommt mir unmöglich vor,
wie reiner Betrug. Ich schlug einen gewaltigen Krach bei der Bank, was den
Verwalter veranlaßte samt seiner Gefolgschaft herbeizueilen. Der Versuch mich
zu beschwichtigen erwies sich als erfolglos. Ich schlug mit den Fäusten auf
den Schaltertisch und stampfte mit den Füßen auf bis der Direktor erschien.” „Was sagte er?” „Anfangs nicht viel. Er begann in so einer
Art Französisch zu reden, wovon ich bloß die Hälfte verstand. Dann forderte
er mich auf, wie auch einige Angestellte, ihm in sein Büro zu folgen.” Baldwin unterbrach seinen Bericht, wonach
er den sonderbarsten Blick auf Ebert warf den man sich vorstellen kann.
Staunen spiegelte sich in einem Meer von Widerwillen, wenn nicht ungespielter
Abscheu. „Was ich dann erfuhr ließ mir das Blut in den
Adern erstarren und die Nackenhaare sträuben. Halt dich fest und hör zu. Alle
behaupteten Anita hätte das Geld abgehoben; zwei schworen sogar bei allen
Heiligen, sie in den Tresorraum begleitet zu haben.” „Folglich gab sich jemand als deine Frau
aus,” meinte Ebert. „Was ich auch behauptete, zum Verdruß des
Direktors, der solch einen verstiegenen Einfall, wie er es nannte, entrüstet
ablehnte. Empört versicherte er, daß die Unterschrift echt sei, weiterhin
belehrte er wie folgt: Obwohl die Kassiererin Frau Baldwin gut kannte, erbat
sie trotzdem die Ermächtigung des Verwalters. Herr Cote grüßte Anita
herzlich, sie war ihm natürlich bekannt, wonach er das Geschäft beglaubigte.
Als ich ihn fragte, in einem rügenden Ton befürchte ich, ob ihm der Handel
nicht bedenklich dünkte, betrachtete er mich höchst erstaunt. „ ,Aber Herr Baldwin, Ihre Frau
verrichtet seit Monaten die meisten, wenn nicht alle Bankgeschäfte. Ich hatte
weder Gründe noch das Recht den Handel zu verhindern,‘ belehrte er. „ ,Aber meine Frau lag schon vier Tage im
Grab als das geschah,‘ schrie ich ihn an.“ „Wie stellte man sich dazu?“ „Sie zuckten mit den Achseln und
grinsten, überzeugt ich sei entweder betrunken oder irre.“ |
Sangaree Auszug aus Rufe in der
Nacht |